Untreue § 266 StGB: Geschäftsführer – wann wird wirtschaftliches Handeln strafbar?
18. Mai 2025
Untreue oder unternehmerisches Risiko?
Untreue § 266 StGB Geschäftsführer Strafbarkeit – diese Kombination aus Schlagworten beschreibt einen häufigen Vorwurf im Wirtschaftsstrafrecht. Geschäftsführer, Vorstände oder Prokuristen sehen sich immer wieder strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt, wenn wirtschaftliche Entscheidungen im Nachhinein als pflichtwidrig bewertet werden. Doch nicht jede Fehlinvestition oder interne Regelverletzung erfüllt den Straftatbestand der Untreue. Dieser Beitrag erklärt, wann eine Pflichtverletzung zur Strafbarkeit nach § 266 StGB führt – und welche Ansatzpunkte es für eine effektive Verteidigung gibt.
Unternehmerisches Ermessen und die Grenze zur Untreue nach § 266 StGB
Der Begriff des „unternehmerischen Ermessens“ ist für das Wirtschaftsleben essenziell. Unternehmerische Entscheidungen beinhalten naturgemäß Risiken. Fehlentscheidungen, wirtschaftliche Fehleinschätzungen oder misslungene Investitionen gehören zum Alltag – ebenso wie Projekte, die sich später als wirtschaftlich nachteilig erweisen.
Strafbar wird solches Verhalten nur dann, wenn eine rechtlich relevante Pflichtverletzung vorliegt. Im Zentrum steht die sogenannte Vermögensbetreuungspflicht: Wer als Organ oder leitender Mitarbeiter über fremdes Vermögen disponiert, muss dieses im Interesse des Berechtigten verwalten. Wird diese Pflicht gravierend verletzt und entsteht hierdurch ein Nachteil, kann eine Untreue vorliegen.
Ab wann haften Geschäftsführer strafrechtlich?
Die Rechtsprechung verlangt für eine Strafbarkeit, dass der Handlungsspielraum – das unternehmerische Ermessen – in objektiv nicht mehr vertretbarer Weise überschritten wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Entscheidung im Nachhinein als falsch herausgestellt hat. Entscheidend ist, ob sie ex ante, also zum Zeitpunkt der Entscheidung, durch sachliche Erwägungen gedeckt war.
„Eine Pflichtverletzung liegt insbesondere dann vor, wenn schlechthin unvertretbares Vorstandshandeln vorliegt und sich der Leitungsfehler auch einem Außenstehenden förmlich aufdrängen muss.“
(BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – 3 StR 403/19)
Gerichte dürfen sich nicht zur nachträglichen wirtschaftlichen Kontrolle aufschwingen. Eine Strafbarkeit setzt vielmehr eine evidente, grob pflichtwidrige Disposition voraus – z. B. das bewusste Ignorieren interner Kontrollmechanismen oder das eigenmächtige Freigeben erheblicher Mittel.
Typische Untreue-Konstellationen für Geschäftsführer
In der Praxis betreffen Untreuevorwürfe im Unternehmenskontext häufig folgende Fallgestaltungen:
-
Bonus- oder Sonderzahlungen ohne vertragliche Grundlage oder Gremienbeschluss
-
Geschäftsführerdarlehen oder Vorschüsse ohne Dokumentation
-
Zahlungen an Dritte ohne erkennbare Gegenleistung (z. B. Beraterverträge)
-
Private Nutzung von Firmenvermögen (verdeckte Gewinnausschüttung)
Ob solche Vorgänge strafbar sind, hängt stark von den Umständen ab: Rechtslage, Dokumentation, interne Zustimmung, wirtschaftlicher Kontext.
Ein ähnlicher Maßstab gilt auch bei anderen strafrechtlichen Vorwürfen im Unternehmenskontext, etwa beim Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) oder Betrugsvorwürfen bei wirtschaftlichen Streitigkeiten.
Rechtsprechung zur Geschäftsführer-Strafbarkeit wegen Untreue
Die obergerichtliche Rechtsprechung zeigt Zurückhaltung bei der Kriminalisierung wirtschaftlicher Entscheidungen. So betonte der BGH im „Siemens-Fall“, dass interne Regelverstöße allein nicht ausreichen. Es braucht einen konkreten Vermögensnachteil und eine gravierende Pflichtverletzung.
„Nimmt der Vermögensbetreuungspflichtige unternehmerische Führungs- und Gestaltungsaufgaben wahr, ist ihm regelmäßig ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eröffnet. Der Spielraum wird erst dann überschritten, wenn die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird.“
(BGH, Urt. v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04)
Verteidigung bei Untreue nach § 266 StGB
Frühzeitige anwaltliche Beratung ist entscheidend. In vielen Fällen lassen sich Tatbestand und Vorsatz erfolgreich in Frage stellen, wenn:
-
die Entscheidungssituation betriebswirtschaftlich aufgearbeitet wird
-
interne Gremienbeschlüsse vorliegen
-
Gutachten oder Aufsichtsratsfreigaben existieren
-
die Maßnahme formal korrekt dokumentiert wurde
Ein strukturierter Überblick über Verteidigungsstrategien bei komplexen Wirtschaftsstraftaten findet sich auch in unserem Beitrag zum Wirtschaftsstrafrecht.
Kontextualisierung schützt: Was von außen als Pflichtverstoß erscheint, ist intern oft vertretbar.
Fazit: Strafbarkeit wegen Untreue – Geschäftsführer im Fokus
Der Vorwurf der Untreue ist schnell erhoben. Doch nicht jede wirtschaftliche Entscheidung ist strafrechtlich relevant. Die Grenze zur Strafbarkeit verläuft dort, wo die Integrität und Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers grob verletzt wird.
Geschäftsführer sollten Entscheidungen dokumentieren, kritisch prüfen und bei Vorwürfen frühzeitig fachliche Unterstützung einholen.