Untreue oder Unterschlagung? Juristischer Unterschied und strafrechtliche Folgen
1. Juli 2025
Untreue oder Unterschlagung? Juristischer Unterschied und strafrechtliche Folgen
Viele strafrechtliche Ermittlungen im Unternehmenskontext beginnen mit einem Verdacht: „Es wurde Geld unterschlagen.“ Doch was liegt wirklich vor – eine Untreue oder eine Unterschlagung? Beide Delikte setzen den Umgang mit fremdem Vermögen voraus, unterscheiden sich aber in Voraussetzungen, Strafandrohung und Verteidigungsansätzen grundlegend.
Tatbestand der Untreue – die Pflicht zur treuen Vermögensbetreuung
Die Untreue nach § 266 StGB schützt das Vertrauen in eine pflichtgemäße Verwaltung fremden Vermögens. Sie liegt vor, wenn eine Person, die aufgrund eines besonderen Treueverhältnisses über das Vermögen eines anderen disponieren darf, diese Befugnis missbraucht oder ihre Vermögensbetreuungspflicht verletzt – und dadurch ein Vermögensnachteil entsteht.
Typischerweise betrifft das Organpersonen wie Geschäftsführer, Vorstände oder Treuhänder. Die Pflichtverletzung muss objektiv erheblich sein; bloßes Fehlverhalten reicht nicht aus. Der Schaden muss sich wirtschaftlich konkret fassen lassen – ein bloß abstraktes Risiko genügt nicht.
„Die zur Erfüllung des Tatbestandes der Untreue erforderliche Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht muss auch bei unternehmerischen Entscheidungen eines Gesellschaftsorgans nicht zusätzlich ‚gravierend‘ sein.“
(BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 337)
Die Untreue ist ein abstrakter Tatbestand – ihre Grenzen werden maßgeblich durch die Rechtsprechung gezogen. Gerade deshalb ist die präzise Einordnung in der Verteidigung entscheidend.
Tatbestand der Unterschlagung – Zueignung durch Besitzmissbrauch
Die Unterschlagung gemäß § 246 StGB betrifft die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache durch eine Person, die sie zwar im Besitz, nicht aber im Eigentum hat. Im Unterschied zur Untreue setzt die Unterschlagung kein Treueverhältnis voraus, sondern allein den unrechtmäßigen Willen, eine Sache als eigene zu behandeln.
Das Tatobjekt ist stets körperlich: eine Sache im Sinne des § 90 BGB – also kein Buchgeld, kein Anspruch, kein elektronischer Zugriff. Die Zueignung kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten geschehen – etwa durch das Behalten, Veräußern oder Umwidmen.
„So liegt in dem bloßen Unterlassen der geschuldeten Rückgabe sicherungsübereigneter Gegenstände keine vollendete Zueignung, denn ein solches beeinträchtigt die Eigentümerbefugnisse nicht weitergehend, als bereits durch die im Rahmen des Miet- oder Leasingvertrags erfolgte Gebrauchsüberlassung geschehen.“
(BGH, Beschl. v. 29.11.2023 – 6 StR 191/23, NStZ 2024, 289)
In der Praxis häufig: Mitarbeitende behalten Arbeitsmaterial, Firmenhandys oder Bargeld – ohne Berechtigung. Die Abgrenzung zur bloßen verspäteten Rückgabe oder Fahrlässigkeit ist oft Verteidigungsschwerpunkt.
Worin genau liegt der Unterschied – rechtlich und praktisch?
Die Unterschiede zwischen beiden Delikten sind in der juristischen Bewertung klar, in der Praxis jedoch oft missverständlich:
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Die Untreue schützt ein Treueverhältnis und den sachgerechten Umgang mit anvertrautem Vermögen. Die Unterschlagung schützt das Eigentum an körperlichen Sachen.
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Untreue kann sich auf jegliche Vermögenswerte (auch Forderungen, Konten, Buchungen) beziehen – bei der Unterschlagung ist nur der Umgang mit beweglichen Sachen erfasst.
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Untreue setzt Pflichtbindung und Nachteilszufügung voraus – die Unterschlagung hingegen Zueignungswilleund Besitz ohne Eigentum.
Deshalb ist es z. B. bei verschwundenen Firmengeldern ein zentraler Verteidigungsansatz, ob überhaupt eine Sache im Sinne der Unterschlagung betroffen ist – oder ob nicht vielmehr ein Treueverhältnis bestand, das eine ganz andere Tatbewertung rechtfertigt.
Verteidigung: Wann lohnt sich der genaue Blick?
In vielen Ermittlungsverfahren ist die juristische Qualifikation des Vorwurfs nicht von Anfang an klar. Schon die Begriffe in Anzeigen oder Pressemitteilungen („veruntreut“, „unterschlagen“, „abgezweigt“) sind unscharf. Umso wichtiger ist die präzise juristische Einordnung.
Bei Untreue lässt sich insbesondere der Vermögensnachteil angreifen – etwa durch betriebswirtschaftliche Bewertung, Dokumentation von Gegenleistungen oder Einverständnis. Zudem kann auf eine fehlende Pflichtbindung oder ein Vertretungsgremium verwiesen werden.
Bei Unterschlagung ist regelmäßig der Zueignungswille streitig: Wollte der Beschuldigte wirklich das Eigentum an sich ziehen – oder war es ein Irrtum, eine Verspätung, ein Kommunikationsfehler?
Fehleinschätzungen bei der rechtlichen Bewertung können zu falschen Anklagen – und bei früher Klarstellung – auch zur Einstellung führen. Genau deshalb ist die saubere Tatbestandsarbeit der Schlüssel zur Verteidigung.
Fazit
Nicht jede „veruntreuende“ Handlung ist gleich eine Unterschlagung – und nicht jeder Pflichtverstoß eine Untreue. Strafverteidigung in Wirtschaftssachen verlangt eine präzise Tatbestandsanalyse. Gerade im Ermittlungsverfahren kann die richtige juristische Einordnung darüber entscheiden, ob ein Verfahren zur Anklage kommt – oder eingestellt wird.