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Subventionsbetrug – Wann wird der Antrag zur Straftat?

6. Juni 2025

Subventionsbetrug – strafbar bei falschen Corona- oder Förderanträgen

Subventionsbetrug bei Corona-Hilfen ist in den letzten Jahren zu einem der meistverfolgten Delikte im Wirtschaftsstrafrecht geworden. Ob Corona-Hilfe, Energiepreispauschale oder Investitionsförderung: Der Staat hat Unternehmen, Solo-Selbstständige und Freiberufler in nie dagewesenem Umfang unterstützt. Viele Verfahren liefen digital und auf Vertrauensbasis – genau dieses Vertrauen bildet nun den Ausgangspunkt tausender Ermittlungsverfahren.

Die Ermittlungswelle rollt: Allein in NRW wurden bis Ende 2024 über 15.000 Verfahren wegen mutmaßlichen Corona-Subventionsbetrugs eingeleitet. Doch wann genau macht sich ein Antragsteller strafbar? Was unterscheidet einen fehlerhaften Antrag von einem strafbaren Verhalten? Und welche Verteidigungsstrategien bestehen?

Der Tatbestand des Subventionsbetrugs (§ 264 StGB)

§ 264 StGB stellt unter anderem die unrichtige oder unvollständige Darstellung subventionserheblicher Tatsachen unter Strafe – sowohl im Antrag als auch in nachträglichen Mitteilungen. Subventionen im strafrechtlichen Sinn sind dabei alle staatlichen Leistungen, die zumindest teilweise ohne marktübliche Gegenleistung gewährt werden. Erfasst sind insbesondere Zuschüsse wie die Corona-Soforthilfe oder Überbrückungshilfe, zinsgünstige Darlehen der KfW, Bürgschaften mit Fördercharakter sowie steuerliche Vergünstigungen mit Subventionscharakter.

Die Strafbarkeit beginnt, wenn der Antragsteller bewusst falsche Angaben macht oder subventionserhebliche Umstände verschweigt, um die Bewilligung zu erreichen oder die Auszahlung zu sichern. Das Strafmaß reicht von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. In besonders schweren Fällen – etwa bei bandenmäßigem Vorgehen, Schadenssummen über 100.000 Euro oder gewerbsmäßiger Begehung – drohen sogar bis zu zehn Jahre Haft.

Was genau ist „subventionserheblich“?

Nicht jede unzutreffende Angabe führt zur Strafbarkeit. Entscheidend ist, ob die betreffende Information nach dem Subventionszweck und den Richtlinien der Förderstelle als maßgeblich für die Entscheidung gewertet wird.

Typische subventionserhebliche Angaben:

Die Subventionserheblichkeit erfasst regelmäßig die Unternehmensgröße und Rechtsform, die Beschäftigtenzahl einschließlich Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigter sowie Umsätze und deren Einbrüche im Vergleichszeitraum. Ebenso relevant sind Liquiditätsengpässe und drohende Insolvenzen, tatsächliche Betriebsstätten und deren Nutzung, parallel beantragte oder erhaltene Fördermittel sowie verbundene Unternehmen und Beteiligungsverhältnisse.

Die rechtliche Herausforderung: Die Subventionserheblichkeit wird oft nicht ausdrücklich in den Antragsformularen erklärt, sondern ergibt sich aus Rechtsverordnungen, FAQ-Listen oder internen Verwaltungsrichtlinien. Genau hier liegt ein häufiges Verteidigungsargument.

Typische Fallkonstellationen aus der Praxis

Fall 1: Der „Scheinselbstständige“

Ein IT-Berater beantragt Corona-Soforthilfe als Solo-Selbstständiger. Die Ermittlungen ergeben: 85% seiner Umsätze stammen von einem einzigen Auftraggeber, er nutzt dessen E-Mail-Adresse und ist faktisch in die Betriebsabläufe eingebunden. Das LG München verurteilte in einem ähnlichen Fall zu 18 Monaten Bewährungsstrafe.

Fall 2: Die „ruhende Betriebsstätte“

Ein Gastronom betreibt zwei Restaurants. Für die seit 2019 faktisch geschlossene Zweitfiliale beantragt er Überbrückungshilfe und gibt Fixkosten von monatlich 8.000 Euro an. Tatsächlich war der Mietvertrag bereits gekündigt. Schadenssumme: 48.000 Euro.

Fall 3: Der „kreative Umsatzvergleich“

Eine Eventagentur vergleicht für den Antrag auf November-/Dezemberhilfe 2020 nicht mit dem Vorjahr, sondern mit dem außergewöhnlich umsatzstarken November 2018 (Großveranstaltung). Der behauptete Umsatzeinbruch von 80% lag tatsächlich nur bei 25%.

Fall 4: Die „Berater-Falle“

Ein Unternehmensberater bietet an, für 10% Provision Förderanträge zu stellen. Er verwendet geschönte Zahlen und reicht Anträge für nicht existierende Unternehmensteile ein. Sowohl Berater als auch gutgläubige Unternehmer geraten ins Visier der Ermittler.

Verjährung und zeitlicher Ablauf

Die Kenntnis der Verjährungsfristen ist essentiell: Im Regelfall beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, bei besonders schweren Fällen verlängert sie sich auf zehn Jahre. Die Verjährung beginnt mit der Auszahlung der Subvention, nicht bereits mit der Antragstellung.

Der typische Ablauf eines Verfahrens gestaltet sich wie folgt: Nach der Antragstellung zwischen 2020 und 2023 erfolgte die Bewilligung und Auszahlung meist innerhalb weniger Wochen. Die nachträgliche Prüfung setzt oft erst ein bis drei Jahre später ein. Bei Verdachtsmomenten erfolgt eine Meldung an die Staatsanwaltschaft, die ein Ermittlungsverfahren einleitet. Durchsuchungen oder Vernehmungen folgen häufig weitere sechs bis zwölf Monate später.

Abgrenzung zu anderen Straftaten

Subventionsbetrug steht oft nicht allein. In Betracht kommt zunächst der allgemeine Betrug nach § 263 StGB, wenn keine „echte“ Subvention vorliegt. Daneben droht bei falschen Angaben in Steuererklärungen zu erhaltenen Hilfen eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Werden manipulierte Belege verwendet, erfüllt dies den Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB. Bei Weiterleitung erschlichener Gelder kann zudem Geldwäsche nach § 261 StGB vorliegen. Häufig liegt Tateinheit vor – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Strafmaß.

Rückzahlung ≠ Straflosigkeit

Ein verbreiteter Irrtum: „Ich zahle alles zurück, dann ist die Sache erledigt.“ Das stimmt nicht! Der Subventionsbetrug ist bereits mit der falschen Antragstellung vollendet – unabhängig davon, ob die Mittel ausgezahlt oder später zurückgezahlt werden.

Die Rückzahlung kann sich jedoch auswirken: Bei Geständnis und früher Rückzahlung wirkt sie strafmildernd. Zudem eröffnet sie die Möglichkeit einer Einstellung nach § 153a StPO gegen Geldauflage. Bei Bewährungsstrafen spricht sie für eine positive Sozialprognose. Eine Selbstanzeige analog zur Steuerhinterziehung gibt es beim Subventionsbetrug allerdings nicht!

Verteidigungsstrategien

1. Angriff auf die Subventionserheblichkeit

War die falsche Angabe wirklich entscheidungsrelevant? Oft lässt sich argumentieren, dass bestimmte Informationen nicht eindeutig als subventionserheblich gekennzeichnet waren.

2. Fehlender Vorsatz

Der Nachweis des Vorsatzes ist oft die Achillesferse der Anklage:

  • Komplexe, sich ändernde Förderbedingungen
  • Missverständliche Formulare
  • Fehlerhafte Beratung durch Dritte

3. Vertrauensschutz bei Beratung

Wer nachweislich auf fachkundige Beratung vertraut hat, kann sich unter Umständen auf einen Verbotsirrtum berufen. Wichtig: Dokumentation der Beratung!

4. Verfahrenseinstellung

In geeigneten Fällen (Ersttäter, geringe Schadenssumme, Wiedergutmachung) kann eine Einstellung gegen Auflage erreicht werden.

Die Rolle der Berater – Haftungsfallen

Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater stehen zunehmend im Fokus: Bei bewusst falschen Angaben droht Mittäterschaft, bei grob fahrlässiger Prüfung zumindest Beihilfe. Daneben besteht eine zivilrechtliche Haftung auf Schadensersatz gegenüber Mandanten.

Als rote Flaggen für Berater gelten insbesondere Erfolgshonorar-Vereinbarungen, Blankounterschriften von Mandanten, fehlende Plausibilitätsprüfungen sowie die „Optimierung“ von Angaben ohne ausreichende Grundlage.

Praktische Hinweise bei Ermittlungen

Bei Hausdurchsuchung:

Im Falle einer Hausdurchsuchung ist zunächst Ruhe zu bewahren. Lassen Sie sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen und kontaktieren Sie umgehend einen Anwalt, dessen Anwesenheit abgewartet werden sollte. Geben Sie keine spontanen Erklärungen ab. Das Protokoll ist genau zu prüfen und eine Beschlagnahmeliste zu verlangen.

Bei Vorladung:

Bei einer Vorladung sollte zunächst nur durch den Anwalt Akteneinsicht genommen werden. Vorschnelle schriftliche Stellungnahmen sind zu vermeiden. Stattdessen ist eine durchdachte Verteidigungsstrategie zu entwickeln und gegebenenfalls die Aussageverweigerung zu prüfen.

Präventive Risikominimierung

Für Antragsteller:

Die wichtigste Maßnahme ist eine lückenlose Dokumentation aller Entscheidungsgrundlagen. Bei Unklarheiten sollten schriftliche Auskünfte eingeholt werden. Alle Angaben müssen plausibel und nachvollziehbar sein. Besondere Vorsicht ist bei „garantierten“ Bewilligungen geboten.

Für Unternehmen:

Unternehmen sollten ein Vier-Augen-Prinzip bei Anträgen etablieren und interne Richtlinien für Fördermittel entwickeln. Regelmäßige Schulungen zu Compliance-Themen sowie die Einrichtung eines Whistle-Blowing-Systems können präventiv wirken.

Rechtsfolgen über das Strafverfahren hinaus

Eine Verurteilung wegen Subventionsbetrugs hat weitreichende Konsequenzen: Gewerberechtlich droht die Feststellung der Unzuverlässigkeit mit möglicher Gewerbeuntersagung. Für Steuerberater und Rechtsanwälte kann eine Verurteilung existenzbedrohend sein. Vergaberechtlich folgt der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, förderrechtlich die Sperrung für künftige Förderprogramme. Im Insolvenzrecht ist die Versagung der Restschuldbefreiung möglich. Oft unterschätzt, aber gravierend ist zudem der Reputationsschaden.

Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Die Ermittlungsbehörden rüsten auf: KI-gestützte Prüfungen erkennen Muster und Auffälligkeiten, während der behördenübergreifende Datenabgleich zwischen Finanzamt, Sozialversicherung und Handelsregister intensiviert wird. Spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaften wurden eingerichtet und Whistleblower-Portale für anonyme Hinweise etabliert.

Schwerpunkte der aktuellen Ermittlungen bilden die Überbrückungshilfe III und III Plus, die November-/Dezemberhilfe 2020 sowie die Energiekostenzuschüsse 2022/2023.

Fazit

Subventionsbetrug ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Offizialdelikt mit erheblichen Strafandrohungen. Die Grenze zwischen optimierter Antragstellung und strafbarer Täuschung ist oft schmal – insbesondere bei komplexen oder kurzfristig aufgelegten Förderprogrammen.

Wer als Unternehmer, Selbstständiger oder Berater ins Visier der Ermittlungsbehörden gerät, sollte frühzeitig spezialisierte rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Der Schlüssel zur erfolgreichen Verteidigung liegt in der präzisen Analyse des Antrags, der zugrunde liegenden Richtlinien und der subjektiven Vorstellung des Antragstellers bei Antragstellung.

Die beste Verteidigung bleibt jedoch die Prävention: Sorgfältige Prüfung, vollständige Dokumentation und im Zweifel der Mut zur Rückfrage schützen vor strafrechtlichen Konsequenzen. Denn eines ist sicher: Die Zeit der unkomplizierten Auszahlungen ist vorbei – die Zeit der genauen Prüfungen hat begonnen.


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Autor

zu sehen ist ein Portrait des Fachanwalts Felix Haug.
Rechtsanwalt Felix F. Haug
  • Fachanwalt für Strafrecht
  • Spezialisiert auf Wirtschaftsstrafrecht und Unternehmensverteidigung
  • Kanzlei am Kurfürstendamm in Berlin