Verteidigung eines Strohmann-Geschäftsführers bei § 266a StGB
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Strohmann-Geschäftsführer: Wann haftet man wirklich?

16. Mai 2025

Verteidigung des Strohmann-Geschäftsführers: LG Nürnberg-Fürth stärkt Rechte eingetragener Geschäftsführer

Nicht jeder Geschäftsführer, der im Handelsregister eingetragen ist, trägt auch strafrechtlich die Verantwortung für das, was in der GmbH geschieht. Und doch war genau das lange Zeit die Linie des Bundesgerichtshofs: Wer als Geschäftsführer im Register steht, haftet – und zwar regelmäßig als Mittäter. Dass es sich bei der betreffenden Person um einen bloßen „Strohmann“ handelt, also jemanden ohne jede tatsächliche Geschäftsführungsfunktion, änderte an der strafrechtlichen Zurechnung bislang wenig.

Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth aus dem Jahr 2024 durchbricht diesen Automatismus und könnte weitreichende Folgen für die Verteidigungspraxis haben. Er stellt klar: Nicht die formale Stellung, sondern die tatsächliche Einflussmöglichkeit entscheidet über die strafrechtliche Verantwortlichkeit.

Die bisherige Rechtsprechung des BGH: Garantenstellung durch Organstatus

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Stellung als Geschäftsführer – allein aufgrund der Eintragung im Handelsregister – eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 StGB. Der Geschäftsführer sei kraft seiner Organstellung verpflichtet, Rechtsverstöße innerhalb des Unternehmens zu verhindern. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, etwa indem er Verstöße nicht unterbindet, wird ihm dies strafrechtlich als aktives Tun zugerechnet.

Entscheidungen wie der BGH-Beschluss vom 28.11.2000 (5 StR 482/00) und das Urteil vom 18.12.2008 (5 StR 199/08) betonen, dass auch ein nur „formeller“ Geschäftsführer Täter sein kann, wenn er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt. Der BGH sieht in der bloßen Eintragung bereits eine „rechtliche Zurechnungsmacht“, deren Nichtnutzung zur Strafbarkeit führt. Dabei ist es aus Sicht der Rechtsprechung unerheblich, ob der Geschäftsführer tatsächlich in das Tagesgeschäft eingebunden war oder – wie im Fall des Strohmanns – lediglich seinen Namen zur Verfügung stellte.

Besonders deutlich wird dies im Urteil vom 20.11.2013 (1 StR 586/13): Dort führt der BGH aus, dass sich ein wissentlich als Strohmann agierender Geschäftsführer jedenfalls der Mittäterschaft oder Beihilfe schuldig mache. Denn die Eintragung täusche Dritte über die tatsächlichen Machtverhältnisse und ermögliche dem faktischen Geschäftsführer erst sein strafbares Handeln. Die „Nichterfüllung der Garantenstellung“ wurde so regelmäßig zur Täterqualität hochstilisiert – mit drastischen Folgen für die Betroffenen.

LG Nürnberg-Fürth: Strafrechtliche Verantwortung setzt tatsächliche Einflussnahme voraus

Vor diesem Hintergrund ist der neue Beschluss des LG Nürnberg-Fürth bemerkenswert. Das Gericht stellt erstmals klar heraus, dass nicht jede formelle Eintragung im Handelsregister automatisch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet. Maßgeblich sei vielmehr, ob der betreffende Geschäftsführer tatsächlich Einfluss auf die Geschäftsführungausüben konnte oder wollte.

Im zugrunde liegenden Fall war der Beschuldigte als Geschäftsführer eingetragen, hatte jedoch weder Einblick in die Geschäfte der Gesellschaft noch die Möglichkeit, Weisungen zu erteilen oder interne Abläufe zu kontrollieren. Der wirtschaftlich Verantwortliche war ein Dritter, der den Strohmann gezielt eingesetzt hatte, um selbst im Hintergrund zu bleiben.

Das Gericht betont, dass in einer solchen Konstellation keine Garantenstellung entstehen könne. Es fehle an der tatsächlichen Verantwortungsposition, die Voraussetzung für eine Pflicht zum Tätigwerden sei. Die bloße Eintragung sei „rechtlich bedeutsam, aber nicht strafbegründend“, wenn dem Eingetragenen jede Zugriffsmöglichkeit auf das Unternehmensgeschehen fehle.

Damit verlagert das LG den Maßstab weg von der formalrechtlichen Zurechnungskraft hin zur tatsächlichen Handlungsmacht – ein Bruch mit der dogmatischen Konstruktion der BGH-Rechtsprechung.

Verteidigungsperspektive: Neue Angriffslinie bei § 266a StGB und § 370 AO

Gerade im Bereich des Arbeitsstrafrechts (§ 266a StGB) und Steuerstrafrechts (§ 370 AO) eröffnet der LG-Beschluss neue Verteidigungsmöglichkeiten. Die Strafbarkeit des Geschäftsführers – sei es wegen vorenthaltener Sozialabgaben oder hinterzogener Steuern – setzte bislang nicht voraus, dass er selbst tätig wurde. Allein die Nichterfüllung der Überwachungspflichten genügte. Mit der neuen Linie des LG kann in geeigneten Fällen argumentiert werden, dass keine tatsächliche Verantwortlichkeit bestand – und damit auch keine strafrechtlich relevante Garantenstellung.

Für die Verteidigung bedeutet das: In Fällen, in denen der Mandant lediglich als Strohmann fungierte, sollte frühzeitig der Nachweis geführt werden, dass er keine Weisungsbefugnis, keinen Einblick und keine Kontrolle über das operative Geschäft hatte. Entsprechende Dokumentationen, Zeugenaussagen oder E-Mails können helfen, diesen tatsächlichen Einflussverlust plausibel darzustellen.

Fazit: Bedeutung für die Verteidigungspraxis

Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth stellt einen wichtigen Impuls für die dogmatische Diskussion rund um die strafrechtliche Verantwortung des formellen Geschäftsführers dar. Er bietet eine greifbare Argumentationshilfe für Verteidiger in Fällen, in denen Mandanten zwar eingetragen, aber faktisch außen vor waren. Die Differenzierung zwischen Registereintragung und tatsächlicher Verantwortung ist überfällig – und könnte, wenn sie sich durchsetzt, für eine spürbare Entlastung sogenannter Strohmänner sorgen.

Autor

zu sehen ist ein Portrait des Fachanwalts Felix Haug.
Rechtsanwalt Felix F. Haug
  • Fachanwalt für Strafrecht
  • Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht
  • Spezialisiert auf Verteidigung von Unternehmern