Alle Artikel – Zur Beitragsübersicht

Nur der Name im Register? Strafverteidigung des formellen Geschäftsführers in Strohmannkonstellationen

16. Mai 2025

Verteidigung des Strohmann-Geschäftsführers: LG Nürnberg-Fürth stärkt Rechte eingetragener Geschäftsführer

Einleitung: Strafbarkeit trotz Nichtwissen?

Wer im Handelsregister als Geschäftsführer einer GmbH eingetragen ist, trägt nicht nur zivilrechtliche Verantwortung – sondern steht auch schnell im Fokus strafrechtlicher Ermittlungen. Besonders heikel wird es, wenn dieser „formelle Geschäftsführer“ in Wahrheit gar keine unternehmerische Verantwortung trägt, sondern nur als Strohmann für einen Dritten fungiert.

Ein aktueller Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.04.2024 (18 KLs 502 Js 2487/21) zeigt: Allein die formelle Stellung als Geschäftsführer reicht nicht aus, um strafrechtliche Verantwortung zu begründen – auch dann nicht, wenn Gewerbeanmeldung oder Kontovollmachten erteilt wurden. Entscheidend bleibt der Vorsatz – und hier zeigt sich: Strafrechtlich ist vieles komplexer als es auf den ersten Blick scheint.


Formeller vs. faktischer Geschäftsführer – eine scharfe Trennlinie

Im GmbH-Recht ist klar geregelt: Geschäftsführer ist, wer im Handelsregister steht. Doch das Strafrecht schaut genauer hin: Es fragt, wer tatsächlich die Geschicke der Gesellschaft lenkt – der sogenannte faktische Geschäftsführer. Nur wenn ein formeller Geschäftsführer auch faktisch Verantwortung trägt, können ihm strafrechtliche Pflichten zugerechnet werden.

In der Verteidigungspraxis zeigt sich: Wer als Strohmann agiert – etwa auf Bitten eines Geschäftspartners, eines Beraters oder eines dominierenden Gesellschafters – gerät oft ins Visier der Ermittlungsbehörden. Dabei gibt es zahlreiche Konstellationen, in denen eine Strafbarkeit ausscheidet.


LG Nürnberg-Fürth: Kein Beihilfevorsatz durch formale Mitwirkung

Im Mittelpunkt der Entscheidung aus Nürnberg stand die Frage, ob Strohleute, die ein Gewerbe anmeldeten und Geschäftskonten eröffneten, sich wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) strafbar gemacht hatten.

Das Landgericht stellt klar:

„Allein aus der Gewerbeanmeldung und Kontoeröffnung durch Strohleute […] kann nicht auf deren Beihilfevorsatz geschlossen werden.“ (Rn. 10)

Ein starkes Signal für die Praxis: Selbst wenn ein Geschäftsführer wissentlich nur pro forma agiert, muss ihm nicht ohne Weiteres unterstellt werden, er habe auch strafbare Handlungen des faktischen Geschäftsführers billigend in Kauf genommen.

Besonders bemerkenswert: Das Gericht fordert eine belastbare Beweisgrundlage für den Vorsatz – reine Spekulationen reichen nicht aus. Ein Vertrauen in das rechtskonforme Verhalten des faktischen Geschäftsführers – etwa bei familiären Verhältnissen oder im Rahmen eingeschränkter Sprachkenntnisse – sei grundsätzlich schützenswert.


§ 266a StGB: Ist der formelle Geschäftsführer überhaupt „Arbeitgeber“?

Ein zentraler Punkt bei Vorwürfen wegen nicht gezahlter Sozialabgaben ist die Frage, ob der Beschuldigte im strafrechtlichen Sinne überhaupt „Arbeitgeber“ ist. Denn § 266a StGB erfordert eine Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen – und diese Pflicht trifft nur denjenigen, der tatsächlich über die wirtschaftlichen und organisatorischen Abläufe entscheidet.

Für die Verteidigung ergibt sich daraus:

  • Kein Zugriff auf Geschäftskonten? – spricht gegen die Arbeitgeberstellung.

  • Keine Weisungsbefugnis gegenüber Personal oder Buchhaltung? – entlastend.

  • Kein Wissen über Zahlungsflüsse oder Lohnabrechnung? – entkräftet die Tatherrschaft.

Gerade in Firmenbestattungsfällen oder bei rein nominellen Geschäftsführern kann so die Tätereigenschaft verneint und ein Strafbarkeitsrisiko ausgeschlossen werden.


§ 370 AO: Wann liegt keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen vor?

Auch der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 AO) setzt voraus, dass der Beschuldigte entweder zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet war oder in anderer Weise vorsätzlich dazu beigetragen hat, dass Steuern verkürzt wurden.

In Strohmannkonstellationen stellt sich daher die Frage:

  • Hat der formelle Geschäftsführer selbst Erklärungen abgegeben?

  • Oder wusste er überhaupt, dass falsche Erklärungen eingereicht wurden?

  • War ein Steuerberater zwischengeschaltet, der allein die Kommunikation führte?

In der Entscheidung aus Nürnberg fehlte es bereits an Anhaltspunkten dafür, dass die Strohleute überhaupt Einblick in steuerliche Abläufe hatten – geschweige denn, dass sie diese kontrollieren oder beeinflussen konnten. Für formelle Geschäftsführer ergibt sich daraus ein wichtiger Baustein zur Verteidigung: Keine tatsächliche Mitwirkung – keine Strafbarkeit.


Verteidigungsansätze – worauf es ankommt

Für die effektive Verteidigung formeller Geschäftsführer, die lediglich auf dem Papier Verantwortung tragen, sind folgende Punkte zentral:

  • Organisatorische Entmachtung dokumentieren (z. B. kein Zugriff auf Konten, keine Teilnahme an Buchhaltung oder Personalführung)

  • Fehlende wirtschaftliche Beteiligung oder Entlohnung hervorheben

  • Starke Einflussnahme Dritter (faktischer Geschäftsführer, Gesellschafter)

  • Fehlende Kommunikationsfunktion nach außen

  • Verweis auf Rechtsprechung: LG Nürnberg-Fürth 2024, OLG Celle NStZ 2011, 94, BGH 1 StR 135/20


Fazit: Der Registereintrag ist kein Schuldspruch

Die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth bestätigt, was die Praxis schon lange zeigt: Nicht jeder eingetragene Geschäftsführer ist auch Täter. In Strohmannkonstellationen ist sorgfältig zu prüfen, ob die gesetzlichen Tatbestände überhaupt erfüllt sind – und ob Vorsatz, Handlungsmacht und Verantwortung nachweisbar sind.

Die Verteidigung muss genau an diesen Punkten ansetzen – und kann sich nun mit noch größerer Sicherheit auf die Rechtsprechung stützen.

Autor

zu sehen ist ein Portrait des Fachanwalts Felix Haug.
Rechtsanwalt Felix F. Haug
  • Fachanwalt für Strafrecht
  • Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht
  • Spezialisiert auf Verteidigung von Unternehmern