Kontosperre durch Arrestbeschluss: Verteidigungsstrategien bei Geldwäscheverdacht
1. April 2025
Die Durchsuchung kommt im Morgengrauen. Zeitgleich mit dem Zugriff der Ermittlungsbehörden erlässt das Amtsgericht einen Vermögensarrest nach § 111e StPO. Diese Form der strafrechtlichen Kontosperre trifft Unternehmer besonders hart: Die wirtschaftliche Aktivität steht mit einem Schlag still. Die Sperrung erfolgt nicht aufgrund einer Verdachtsmeldung der Bank, sondern durch richterlichen Beschluss im Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche nach § 261 StGB.
Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche ist in den vergangenen Jahren explosionsartig gestiegen. Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden 2023 über 30.000 Verfahren wegen § 261 StGB eingeleitet – eine Verdreifachung gegenüber 2018. Parallel dazu greifen die Staatsanwaltschaften immer häufiger zum Instrument des Vermögensarrests, um vermeintlich inkriminierte Vermögenswerte zu sichern.
Der Vermögensarrest nach § 111e StPO
Anders als die zivilrechtliche Kontosperre durch Banken basiert der strafrechtliche Vermögensarrest auf einem richterlichen Beschluss. Die Voraussetzungen regelt § 111e Abs. 1 StPO: Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, so kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest angeordnet werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden.
Die Schwelle ist niedrig. Der „dringende Grund“ entspricht dem Tatverdacht, der auch für einen Haftbefehl genügen würde. Bei Geldwäscheverdacht reicht bereits die Annahme aus, die fraglichen Vermögenswerte könnten mittelbar aus einer Vortat stammen. Die genaue Vortat muss die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal konkret benennen können.
Der Vermögensarrest erfasst nicht nur die konkret verdächtigen Beträge, sondern kann sich auf das gesamte Vermögen des Beschuldigten erstrecken. Die Begründung: Vermögensvermischung. Haben sich legale und möglicherweise illegale Gelder vermischt, arrestiert die Staatsanwaltschaft vorsorglich alles.
Verteidigungsstrategie: Akteneinsicht bei Vermögensarrest
Die effektive Verteidigung beginnt mit der Akteneinsicht nach § 147 StPO. Erst die Kenntnis der Ermittlungsakten ermöglicht es, den konkreten Tatverdacht zu verstehen und gezielt zu entkräften. Problematisch ist, dass Staatsanwaltschaften die Akteneinsicht häufig unter Verweis auf § 147 Abs. 2 StPO verweigern oder verzögern – angeblich würde der Untersuchungszweck gefährdet.
Hier ist Nachdruck erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 27.01.2020 – 2 BvR 2142/19) hat wiederholt klargestellt, dass die Verweigerung der Akteneinsicht nur in Ausnahmefällen und nur vorübergehend zulässig ist.
Gerade bei Vermögensarresten, die existenzbedrohend wirken, besteht ein gesteigertes Interesse an effektiver Verteidigung.
Die Praxis zeigt: Oft basiert der Geldwäscheverdacht auf oberflächlichen Verdachtsmomenten. Ungewöhnliche Kontobewegungen, Auslandsüberweisungen oder Bareinzahlungen werden vorschnell als Indizien für Geldwäsche gewertet. Die Akteneinsicht offenbart häufig, dass die Staatsanwaltschaft keine konkreten Erkenntnisse über eine Vortat hat, sondern nur aufgrund des äußeren Anscheins ermittelt.
Die Beschwerde gegen den Vermögensarrest
Nach schnellstmöglicher Akteneinsicht folgt die Beschwerde gegen den Vermögensarrest gemäß § 304 StPO. Diese ist beim Amtsgericht einzulegen, das den Beschluss erlassen hat. Der entscheidende Vorteil: Über die Beschwerde erhält man zeitnah Zugang zu den Ermittlungsakten, selbst wenn die Staatsanwaltschaft diese nach § 147 Abs. 2 StPO zunächst verweigert hat.
Die Praxis zeigt: Vermögensarreste sind häufig rechtswidrig, weil sie auf unzureichender Tatsachenbasis ergehen. Die zentralen Angriffspunkte:
Der doppelte Anfangsverdacht bei § 261 StGB
Das Bundesverfassungsgericht fordert bei Geldwäsche einen „doppelten Anfangsverdacht“: Sowohl für die Geldwäschehandlung als auch für das Herrühren des Vermögens aus einer Vortat müssen konkrete Tatsachen vorliegen (BVerfG, Beschl. v. 27.01.2020 – 2 BvR 2142/19).
Das LG Saarbrücken hat dies präzisiert (Beschl. v. 18.07.2024 – 13 Qs 19/24): „Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts ist es, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen.“ Die Vortat muss „jedenfalls in ihren wesentlichen Konturen bekannt sein“.
In der Praxis scheitern viele Arrestbeschlüsse hieran: Die Staatsanwaltschaft behauptet pauschal „Betrugsverfahren“ oder „Steuerhinterziehung“, ohne die konkreten Taten zu benennen. Vage Hinweise auf „sechs Betrugsanzeigen“ ohne nähere Substantiierung genügen nicht.
Fehlende Ermittlungen zum Geschäftsbetrieb
Besonders gravierend: Häufig fehlen jegliche Ermittlungen zum tatsächlichen Geschäftsbetrieb des betroffenen Unternehmens. Überweisungen mit Rechnungsnummern und konkreten Verwendungszwecken werden pauschal als „Geldwäsche“ qualifiziert, ohne dass geprüft wurde, ob dahinter nicht legitime Geschäftsbeziehungen stehen.
Ausforschungsarreste sind unzulässig
Wenn die Polizei im Abgabebericht selbst schreibt, „die derzeitigen Ermittlungen sind nicht abschließend“, offenbart dies den wahren Zweck: Der Arrest dient der Ausforschung, nicht der Sicherung konkret bemängelter Vermögenswerte. Dies ist mit Art. 13 GG unvereinbar.
Die Höhe des Arrests
Selbst wenn ein Geldwäscheverdacht bestünde, ist oft die Arresthöhe rechtswidrig. Beispiel: Sechs Betrugsanzeigen über zusammen 200.000 Euro können nicht einen Arrest über sämtliche Kontoguthaben von 500.000 Euro rechtfertigen. Nur die konkret aus Straftaten stammenden Beträge dürfen arrestiert werden.
Fehlender subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand wird regelmäßig nur behauptet, nicht belegt. Das bloße Empfangen von Überweisungen begründet noch kein Wissen um eine etwaige Vortat. Ohne konkrete Anhaltspunkte für Kenntnis oder Leichtfertigkeit fehlt der Tatverdacht.
Praktisches Vorgehen bei der Beschwerde
Die Beschwerde ist das Mittel der Wahl – nicht nur zur Aufhebung des Arrests, sondern auch um zeitnah Akteneinsicht zu erhalten. Dies ist entscheidend, wenn die Staatsanwaltschaft diese nach § 147 Abs. 2 StPO verweigert.
Die Beschwerde sollte mit einem Antrag auf Abhilfe verbunden werden. Hilft das Amtsgericht nicht ab, ist um schnellstmögliche Abgabe an das Landgericht zu bitten. Die Begründung muss die Rechtswidrigkeit so klar herausarbeiten, dass bereits das Ausgangsgericht die Fehlerhaftigkeit erkennt.
Typische Begründungsmuster aus der Praxis:
„In der Gesamtheit beeindrucken Durchsuchungsbeschluss wie Arrestbeschluss damit, dass sie jeglicher tatsachenfundierter Begründung entbehren.“ Wenn sich die Beschlüsse in bloßen Behauptungen erschöpfen („es liegen Betrugsverfahren vor“), ohne die Vortaten zu konkretisieren, sind sie angreifbar.
Besonders erfolgversprechend: Der Nachweis fehlender Ermittlungen. Wenn die Polizei selbst schreibt, „die derzeitigen Ermittlungen sind nicht abschließend“ oder von „Vermutungen“ spricht, offenbart dies den Ausforschungscharakter.
Die Höhe des Arrests als Angriffspunkt:
Selbst wenn ein Geldwäscheverdacht bestünde, muss die Arresthöhe stimmen. Beispiel aus der Praxis: Sechs Betrugsanzeigen über 200.000 Euro können nicht einen Arrest über 250.000 Euro rechtfertigen. Die Differenz von 50.000 Euro wäre mangels Vortat rechtswidrig arrestiert.
Die Hauptsacheverteidigung: Entkräftung des Geldwäschevorwurfs
Parallel zu den Eilmaßnahmen muss die Verteidigung in der Hauptsache ansetzen. Der Geldwäschetatbestand des § 261 StGB hat durch die Gesetzesreformen der letzten Jahre eine erhebliche Ausweitung erfahren. Seit 2021 genügt jede Straftat als taugliche Vortat – selbst einfache Steuerhinterziehung.
Die Verteidigung muss zweigleisig fahren:
Bestreiten der Vortat: Ohne Vortat keine Geldwäsche. Kann die Staatsanwaltschaft keine konkrete Straftat nachweisen, aus der die Gelder stammen sollen, scheitert der Vorwurf. Die Vermutung allein, bei ungeklärter Herkunft müsse es sich um Geld aus Straftaten handeln, trägt eine Verurteilung nicht.
Fehlender Vorsatz: Selbst wenn Gelder aus einer Straftat stammen sollten, setzt § 261 StGB Vorsatz voraus. Der Beschuldigte muss die Herkunft gekannt oder zumindest billigend in Kauf genommen haben. Bei komplexen Geschäftsbeziehungen ist dieser Nachweis oft schwierig.
Vermögensabschöpfung nach § 76a StGB
Scheitert der Geldwäschevorwurf, droht dennoch Gefahr durch das selbstständige Einziehungsverfahren. Nach § 76a Abs. 4 StGB können Vermögenswerte eingezogen werden, wenn sie aus einer rechtswidrigen Tat herrühren – ohne dass eine bestimmte Person verurteilt werden muss.
Die Verteidigung muss hier präventiv ansetzen. Jeder Nachweis über die legale Herkunft von Geldern sollte dokumentiert und zu den Akten gereicht werden. Die Beweislastumkehr des § 437 StPO greift erst im gerichtlichen Verfahren – im Ermittlungsverfahren muss die Staatsanwaltschaft die illegale Herkunft nachweisen.
Praktische Handlungsempfehlungen
Die Erfahrung zeigt: Zeit ist der kritische Faktor. Je länger Konten gesperrt bleiben, desto größer der wirtschaftliche Schaden. Die Verteidigung muss daher von Anfang an mit Hochdruck arbeiten.
Sofortmaßnahmen bei Kontosperre:
Unverzüglich spezialisierten Strafverteidiger einschalten. Die Materie ist komplex, Fehler in der Anfangsphase oft nicht mehr gutzumachen.
Akteneinsicht beantragen und notfalls erzwingen. Ohne Kenntnis der Verdachtsmomente keine effektive Verteidigung.
Dokumentation sichern. Alle Unterlagen zur Mittelherkunft sammeln und strukturiert aufbereiten.
Beschwerde mit Eilantrag. Parallel zur Hauptsachebeschwerde die vorläufige Freigabe zumindest von Teilbeträgen beantragen.
Dialog mit der Staatsanwaltschaft. Oft lassen sich durch kooperatives Verhalten und transparente Aufklärung Arrestbeschlüsse aufheben.
Fehler, die es zu vermeiden gilt
In der Praxis beobachte ich immer wieder vermeidbare Fehler:
Voreilige Erklärungen: Beschuldigte neigen dazu, sich sofort rechtfertigen zu wollen. Ohne Kenntnis der Aktenlage ist dies gefährlich. Widersprüche in hastigen Erklärungen nutzt die Staatsanwaltschaft später.
Unvollständige Dokumentation: Lücken in der Dokumentation werden als Indiz für illegale Herkunft gewertet. Besser ist es, sich Zeit zu nehmen und vollständige Nachweise zu erbringen.
Unterschätzung der Gefahr: Viele Beschuldigte hoffen, der Spuk löse sich von selbst auf. Diese Passivität führt oft zu monatelangen Kontosperren mit verheerenden Folgen.
Fazit
Die Kontosperre durch strafrechtlichen Arrestbeschluss stellt für Unternehmer eine existenzielle Bedrohung dar. Anders als bei zivilrechtlichen Sperren durch Banken geht es hier um staatliche Zwangsmaßnahmen im Rahmen eines Strafverfahrens.
Die Verteidigung muss schnell und strategisch vorgehen: Akteneinsicht erzwingen, Beschwerde einlegen, Eilmaßnahmen beantragen. Entscheidend ist die frühzeitige Einschaltung eines auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Verteidigers. Die Materie ist komplex, die Folgen eines Fehlers gravierend.
Die Erfolgsaussichten sind bei professioneller Verteidigung gut. Die Staatsanwaltschaften arbeiten bei Geldwäscheverdacht oft mit Vermutungen statt mit Beweisen. Eine strukturierte Verteidigung, die die legale Mittelherkunft dokumentiert und die Schwächen der Anklage aufzeigt, führt regelmäßig zur Aufhebung des Arrests.
Weiterführend: Zum faktischen Geschäftsführer und dessen strafrechtlicher Haftung siehe unseren Beitrag Der Faktische Geschäftsführer. Zur Problematik von Strohmann-Konstruktionen Das Strohmann-Kartell. Die Verteidigung bei Untreuevorwürfen behandelt unser Artikel Untreue § 266 StGB: Geschäftsführer.