Der Faktische Geschäftsführer
15. Juli 2024
Das strafrechtliche Risiko des faktischen Geschäftsführers
In der Unternehmenswelt ist die Rolle des Geschäftsführers von zentraler Bedeutung. Neben den offiziell eingetragenen Geschäftsführern gibt es auch sogenannte faktische Geschäftsführer, die ohne formale Bestellung die Geschäfte eines Unternehmens führen. Dieser Artikel beleuchtet die Definition und Kriterien für faktische Geschäftsführer, wie sie vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellt wurden, und die damit verbundenen rechtlichen Konsequenzen.
Definition
Der faktischer Geschäftsführer ist eine Person, die, obwohl sie nicht offiziell als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist, tatsächlich die Leitung und Kontrolle über die Geschäfte eines Unternehmens ausübt. Diese Person trifft wesentliche Entscheidungen, die normalerweise einem formellen Geschäftsführer obliegen würden, und beeinflusst somit nachhaltig die Geschicke des Unternehmens.
Kriterien zur Bestimmung eines faktischen Geschäftsführers
Der Bundesgerichtshof hat mehrere Kriterien entwickelt, um festzustellen, ob jemand als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist. Diese Kriterien sind entscheidend, um die Haftung und strafrechtliche Verantwortung dieser Personen zu bestimmen:
- Nachhaltige und wesentliche Einflussnahme: Der Betreffende muss nachhaltig und in erheblichem Umfang Einfluss auf die Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausüben.
- Entscheidungsträgerschaft: Der faktische Geschäftsführer muss maßgebliche unternehmerische Entscheidungen treffen.
- Auftreten nach außen: Der Betreffende tritt gegenüber Geschäftspartnern, Kunden, Banken und Behörden als Vertreter der Gesellschaft auf.
- Selbstständige Leitungsaufgaben: Der faktische Geschäftsführer übernimmt selbstständig Leitungsaufgaben, die normalerweise einem Geschäftsführer obliegen.
- Übernahme der Verantwortung: Der faktische Geschäftsführer übernimmt tatsächlich die Verantwortung für die Geschäftsführung und trägt die rechtlichen Konsequenzen seines Handelns.
- Kontinuierliche Tätigkeit: Die Tätigkeit als faktischer Geschäftsführer muss kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum hinweg ausgeübt werden.
- Überragende Stellung: Der faktische Geschäftsführer muss gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung oder zumindest ein deutliches Übergewicht in der Unternehmensführung haben.
- Innen- und Außenverhältnis: Der faktische Geschäftsführer muss sowohl im Innenverhältnis (innerhalb des Unternehmens) als auch im Außenverhältnis (gegenüber Dritten) die Geschäfte führen.
Rechtliche Konsequenzen
Faktische Geschäftsführer unterliegen der strafrechtlichen Verantwortung gemäß § 14 StGB und können für Straftaten zur Rechenschaft gezogen werden, die sie in ihrer Funktion als faktische Geschäftsführer begangen haben. Dies schließt unter anderem Betrug, Untreue und Steuerhinterziehung ein.
Beispiele aus der Rechtsprechung
In der Rechtsprechung des BGH gibt es verschiedene Fälle, die die oben genannten Kriterien illustrieren:
- BGH, Urteil vom 10. Mai 2000 – 3 StR 101/00: Der Angeklagte wurde als faktischer Geschäftsführer angesehen, da er sowohl nach innen als auch nach außen die Unternehmensleitung bestimmte und alle wesentlichen Entscheidungen traf.
- BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 1 StR 256/16: In diesem Beschluss wurde klargestellt, dass faktische Geschäftsführer genauso strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können wie formelle Geschäftsführer, wenn sie die genannten Kriterien erfüllen.
- OLG München, Endurteil vom 23. Januar 2019 – 7 U 2822/17: Eine faktische Geschäftsführung kann angenommen werden, wenn der eingetragene Geschäftsführer tatsächlich keiner Geschäftsführertätigkeit nachkommt und stets nur der faktische Geschäftsführer in Erscheinung tritt.
Verteidigungsstrategien
Beim Vorwurf der faktischen Geschäftsführung eröffnet sich ein weites Verteidigungsfeld. Oftmals ist nicht ausreichend ermittelt worden, welche Aufgabenverteilung im Unternehmen herrscht. Damit lohnt es sich meistens, einen Blick auf die folgenden Verteidigungsansätze zu lenken:
- Klare Aufgabenverteilung:Eine klar dokumentierte Aufgabenverteilung zwischen dem formellen und dem wirtschaftlichen Entscheider kann die Verantwortlichkeiten abgrenzen. Dies zeigt, dass der formelle Geschäftsführer tatsächlich die operative Führung innehat.
- Dokumentation der Entscheidungsprozesse:Durch umfassende Dokumentation der Entscheidungsprozesse und die Beteiligung des formellen Geschäftsführers kann nachgewiesen werden, dass dieser die maßgeblichen Entscheidungen trifft.
- Rollenklärung:Vertragliche Regelungen und interne Richtlinien zur Klarstellung der Rollen und Verantwortlichkeiten im Unternehmen helfen, Missverständnisse zu vermeiden und die rechtliche Position zu stärken.
- Nachweis der Weisungsgebundenheit:Wenn nachgewiesen werden kann, dass die wirtschaftlich entscheidende Person lediglich nach Weisungen des formellen Geschäftsführers handelt und keine eigenständigen unternehmerischen Entscheidungen trifft, ist dies eine wichtige Verteidigungsstrategie.