Sofortmaßnahmen im Ernstfall
Erste Hilfe für Unternehmen im Strafverfahren
Durchsuchung am frühen Morgen? Vorladung als Beschuldigter? Vermögensarrest angeordnet? Wenn Staatsanwaltschaft und Polizei vor der Tür stehen, zählt jede Minute. Als Fachanwalt für Strafrecht zeige ich Ihnen die wichtigsten Sofortmaßnahmen – und erkläre, wer im Unternehmen strafrechtlich verantwortlich ist.
Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren trifft Unternehmen meist unvorbereitet. Die Konsequenzen können existenzbedrohend sein: eingefrorene Konten, beschlagnahmte Unterlagen, verunsicherte Mitarbeiter und Geschäftspartner. Entscheidend ist, von der ersten Minute an richtig zu reagieren. Diese Seite bietet Ihnen einen Leitfaden für den Ernstfall – von Sofortmaßnahmen bei Durchsuchungen bis zur Frage, wer im Unternehmen strafrechtlich haftet.
Sofortmaßnahmen: Die ersten 24 Stunden entscheiden
Wenn die Ermittlungsbehörden zuschlagen, ist schnelles und besonnenes Handeln gefragt. Die wichtigste Regel lautet: Ruhe bewahren und keine übereilten Aussagen treffen. Jedes unbedachte Wort kann später gegen Sie verwendet werden. Informieren Sie sofort einen auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierten Anwalt – idealerweise haben Sie bereits präventiv einen Kontakt parat.
Die Dokumentation beginnt ab der ersten Sekunde. Notieren Sie, wer wann erschienen ist, welche Maßnahmen durchgeführt werden und welche Unterlagen mitgenommen werden. Fordern Sie Kopien aller Beschlüsse und Protokolle an. Diese Dokumentation ist später für Ihre Verteidigung essentiell.
Die interne Kommunikation muss sofort gesteuert werden. Informieren Sie nur den absolut notwendigen Personenkreis. Wilde Spekulationen und Gerüchte können enormen Schaden anrichten. Bereiten Sie eine sachliche Information für Mitarbeiter vor, die Panik vermeidet aber die Situation nicht beschönigt.
Verhalten bei Durchsuchungen: Ihre Rechte und Pflichten

Durchsuchungen erfolgen meist unangekündigt in den frühen Morgenstunden. Die Beamten müssen einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss vorlegen – prüfen und kopieren Sie diesen sofort. Der Beschluss definiert, welche Räume durchsucht und welche Gegenstände gesucht werden dürfen.
Sie sind nicht verpflichtet, bei der Durchsuchung aktiv mitzuwirken. Die Ermittler dürfen selbst suchen, müssen aber zwischen relevanten und irrelevanten Unterlagen unterscheiden. Ein "blindes" Kopieren aller Daten ist unzulässig. Bestehen Sie darauf, dass nur die im Durchsuchungsbeschluss genannten Unterlagen mitgenommen werden.
Besonders heikel ist der Umgang mit elektronischen Daten. Die Ermittler dürfen auf Ihre IT-Systeme zugreifen, müssen aber die Verhältnismäßigkeit wahren. Cloud-Daten dürfen nur beschlagnahmt werden, wenn die Server im Inland stehen. Passwörter müssen Sie nur herausgeben, wenn Sie als Zeuge vernommen werden – als Beschuldigter haben Sie ein Aussageverweigerungsrecht.
Ihre Mitarbeiter sollten nach Hause geschickt werden, um spontane Vernehmungen zu vermeiden. Weisen Sie sie auf ihr Aussageverweigerungsrecht hin und bieten Sie anwaltliche Unterstützung an. Jeder Mitarbeiter hat das Recht auf einen Zeugenbeistand.
Am Ende der Durchsuchung müssen alle mitgenommenen Gegenstände in einem Sicherstellungsverzeichnis aufgeführt werden. Prüfen Sie dieses genau und fordern Sie eine Kopie an. Widersprechen Sie der Mitnahme von Unterlagen, die erkennbar nicht relevant sind.
Kommunikation in der Krise: Intern und extern
Die richtige Kommunikation kann den Unterschied zwischen einer überstandenen Krise und einem Reputationsdesaster ausmachen. Intern gilt: Informieren Sie zunächst nur die Geschäftsführung und den Krisenstab. Alle Mitarbeiter sollten angewiesen werden, keine Auskünfte an Dritte zu geben und Anfragen an eine zentrale Stelle weiterzuleiten.
Die externe Kommunikation erfordert noch mehr Fingerspitzengefühl. Geschäftspartner und Kunden werden schnell von den Ermittlungen erfahren. Bereiten Sie eine kurze, sachliche Stellungnahme vor, die das Verfahren bestätigt aber keine Details preisgibt. Betonen Sie, dass Sie kooperieren und von einer Klärung zu Ihren Gunsten ausgehen.
Gegenüber den Medien gilt absolute Zurückhaltung. Jede Aussage kann falsch interpretiert werden. Wenn überhaupt, dann kommunizieren Sie nur über einen erfahrenen Anwalt oder Krisenkommunikator. Die Devise lautet: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Dokumentation und Beweissicherung
Die Dokumentation aller Vorgänge ist für Ihre spätere Verteidigung von entscheidender Bedeutung. Erstellen Sie ein Protokoll über alle Kontakte mit den Ermittlungsbehörden. Notieren Sie Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen und Gesprächsinhalte. Sichern Sie alle relevanten Unterlagen und erstellen Sie Kopien wichtiger Dokumente.
Besonders wichtig ist die Sicherung elektronischer Daten. Erstellen Sie Backups aller geschäftsrelevanten Daten, bevor diese möglicherweise beschlagnahmt werden. Dokumentieren Sie auch, welche Daten die Ermittler kopiert oder mitgenommen haben.
Die Kommunikation mit Geschäftspartnern, Kunden und Lieferanten sollte ebenfalls dokumentiert werden. So können Sie später nachweisen, wie Sie mit der Krisensituation umgegangen sind und dass Sie alles getan haben, um Schäden zu minimieren.

Rechtsanwalt Felix Haug
Fachanwalt für Strafrecht
Tätigkeitsschwerpunkt Wirtschaftsstrafrecht
Über 10 Jahre Erfahrung
Kanzlei am Kurfürstendamm 66 | 10707 Berlin
FAQ - Häufige Fragen zur Ersten Hilfe im Strafverfahren
Muss ich bei einer Durchsuchung helfen?
Nein, Sie müssen nicht aktiv bei der Durchsuchung helfen. Die Ermittler dürfen selbst suchen. Sie müssen lediglich Zutritt gewähren und dürfen die Durchsuchung nicht behindern. Passwörter müssen Sie nur als Zeuge herausgeben, nicht als Beschuldigter.
Darf ich meinen Anwalt anrufen?
Ja, Sie haben jederzeit das Recht, einen Anwalt zu kontaktieren. Die Ermittler dürfen dies nicht verhindern. Bestehen Sie darauf, vor jeder Aussage mit Ihrem Anwalt zu sprechen.
Was passiert mit beschlagnahmten Unterlagen?
Beschlagnahmte Unterlagen werden von den Ermittlern ausgewertet. Sie haben das Recht auf Akteneinsicht und können die Herausgabe beantragen, wenn die Unterlagen für die Ermittlungen nicht mehr benötigt werden. Geschäftsgeheimnisse genießen besonderen Schutz.
Hafte ich als Geschäftsführer persönlich?
Ja, als Geschäftsführer können Sie persönlich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt sowohl für eigene Handlungen als auch für Pflichtverletzungen, etwa bei mangelnder Aufsicht oder fehlenden Compliance-Strukturen.
Wie verhalte ich mich gegenüber Mitarbeitern?
Informieren Sie Mitarbeiter sachlich über die Situation, ohne Details preiszugeben. Weisen Sie auf das Aussageverweigerungsrecht hin und bieten Sie anwaltliche Unterstützung an. Vermeiden Sie Anweisungen, die als Zeugenbeeinflussung ausgelegt werden könnten.
Strafrechtliche Verantwortung im Unternehmen
In Deutschland gibt es kein klassisches Unternehmensstrafrecht. Nach § 14 StGB haften für strafrechtliche Vorwürfe im Unternehmen grundsätzlich die Organe als rechtlich Verantwortliche. Der BGH hat diese persönliche Haftung der Organe mehrfach präzisiert, u.a. in der Entscheidung BGHSt 48, 331 („Untreue im Konzern"), die die Verantwortlichkeit von Geschäftsführern für Compliance-Verstöße im Unternehmen verdeutlicht.
In der Unternehmenspraxis kann die strafrechtliche Verantwortung zahlreiche Personen und Rollen betreffen. Dies umfasst nicht nur die Geschäftsleitung, sondern häufig auch Akteure, die im Hintergrund agieren oder de facto die Leitung übernehmen.
Geschäftsführer und Vorstände
Die Geschäftsführung trägt die Hauptverantwortung für die Einhaltung gesetzlicher Pflichten und kann direkt für strafrechtlich relevante Handlungen des Unternehmens haftbar gemacht werden. Ein Präzedenzfall ist hier die Entscheidung des BGH in BGHSt 50, 331, in der die direkte Haftung für unzureichende Compliance-Systeme und die damit verbundene strafrechtliche Verantwortung der Geschäftsleitung veranschaulicht wird.
Leitende Angestellte und Abteilungsleiter
Auch leitende Mitarbeiter können strafrechtlich belangt werden, wenn sie aktiv an Verstößen beteiligt sind, rechtswidrige Handlungen anweisen oder decken. Ein Beispiel ist die Entscheidung BGHSt 52, 40, in der der BGH betont, dass leitende Angestellte bei der Mitwirkung an strafrechtlich relevanten Handlungen ebenso haftbar gemacht werden können.
Mitwirkende im Hintergrund: Faktische Geschäftsführer und Strohmänner
Eine oft weniger sichtbare, aber rechtlich risikoreiche Rolle ist die des faktischen Geschäftsführers. Faktische Geschäftsführer übernehmen inoffiziell Leitungsfunktionen und können trotz fehlender formeller Position strafrechtlich verantwortlich gemacht werden. Der BGH hat diese Verantwortung mehrfach betont, insbesondere in der Entscheidung BGHSt 60, 30 („Faktischer Geschäftsführer und Garantenpflicht"), die verdeutlicht, dass auch faktische Geschäftsführer eine Garantenstellung innehaben und strafrechtlich haftbar gemacht werden können.
Um Ermittlungen zu erschweren oder sich ganz aus der Verantwortung zu ziehen, werden in letzter Zeit sogenannte Strohmann-Konstruktionen häufiger eingesetzt. Dabei werden scheinbare Geschäftsführer eingesetzt, die das Unternehmen offiziell leiten sollen – jedoch tatsächlich nur teilweise oder gar nicht in die Geschäfte eingebunden sind.
Solche Konstruktionen bieten jedoch keine rechtliche Absicherung, wie mein Blogbeitrag zum Thema "Strohmann-Kartell" mit einem ausführlichen Interview in der ARD zeigt. Diese Verflechtungen können für alle Beteiligten strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Externe Berater und Auftragnehmer
Auch externe Berater und Dritte können unter bestimmten Umständen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, insbesondere wenn sie direkt oder indirekt an Straftaten im Unternehmen mitwirken. Die Entscheidung des BGH in BGHSt 55, 116 („Beihilfe durch Steuerberater") unterstreicht, dass auch Berater strafrechtlich belangt werden können, wenn ihre Mitwirkung zu einer Straftat des Unternehmens beiträgt. Diese Konstellation ist besonders für Steuerberater und externe Steuerbüros relevant, die aufgrund ihrer Tätigkeit möglicherweise Beihilfe zur Tat ihres Mandanten leisten.

Die zunehmende Rolle von Strohmännern und faktischen Geschäftsführern
In der Praxis des Wirtschaftsstrafrechts sehen wir immer häufiger Fälle, in denen Unternehmen auf Strohmänner und faktische Geschäftsführer zurückgreifen. Diese Konstellationen sollen oft Risiken minimieren oder rechtliche Grauzonen ausnutzen – sie erhöhen jedoch die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung. In meinem Blogbeitrag "Faktische Geschäftsführer: Definition, Kriterien und rechtliche Konsequenzen" erkläre ich die rechtlichen Risiken und zeige auf, wie rasch vermeintlich "unverbindliche" Handlungen zu persönlicher Haftung führen können.
Präventionsmaßnahmen: Vorbereitung ist alles
Die beste Erste Hilfe ist die, die man nicht braucht. Durch gezielte Präventionsmaßnahmen können Sie das Risiko strafrechtlicher Ermittlungen minimieren und im Ernstfall besser reagieren.
Ein funktionierendes Compliance-Management-System ist der wichtigste Baustein. Klare Regeln, regelmäßige Schulungen und konsequente Kontrollen zeigen, dass Sie Rechtsverstöße ernst nehmen und aktiv verhindern wollen. Im Ernstfall kann ein dokumentiertes Compliance-System strafmildernd wirken.
Erstellen Sie einen Notfallplan für Durchsuchungen und Ermittlungsverfahren. Definieren Sie klare Zuständigkeiten und Kommunikationswege. Halten Sie wichtige Telefonnummern bereit, insbesondere die Ihres Strafverteidigers. Schulen Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig im richtigen Verhalten bei Durchsuchungen.
Die rechtssichere Dokumentation aller Geschäftsvorgänge ist ebenfalls essentiell. Eine ordnungsgemäße Buchführung, vollständige Verträge und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse erleichtern die Verteidigung erheblich. Vermeiden Sie informelle Absprachen und dokumentieren Sie wichtige Entscheidungen schriftlich.
Fazit: Professionelle Hilfe vom ersten Moment an
Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Ihr Unternehmen ist eine existenzielle Krise. Die ersten Stunden und Tage entscheiden oft über den weiteren Verlauf. Fehler in dieser Phase können später kaum noch korrigiert werden.
Mit über 10 Jahren Erfahrung im Wirtschaftsstrafrecht kenne ich die Strategien der Ermittlungsbehörden und weiß, wie man Unternehmen effektiv verteidigt. Von der ersten Durchsuchung bis zum Abschluss des Verfahrens stehe ich Ihnen zur Seite – kompetent, diskret und mit dem Ziel, Ihr Unternehmen zu schützen.
Bereiten Sie sich auf den Ernstfall vor oder stehen Sie bereits im Fokus der Ermittler? Kontaktieren Sie mich für eine vertrauliche Beratung. Gemeinsam entwickeln wir eine Strategie, die Ihr Unternehmen schützt und Ihre persönlichen Risiken minimiert.

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